Laufbericht: Luxemburg-Marathon 2019

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Stephan und ich treffen uns am Freitag, den 31. Mai 2019, bei mir und laden die letzten Sachen ins Wohnmobil. Es geht übers Wochenende in die 270 Kilometer entfernte Stadt Luxemburg. Stephan nennt es Premium-Qualitäts-Wochenende, ich schlicht Männerwochenende.

Wir sind abfahrbereit! (Foto: © Christoph Heider)

Doch egal wie man es nennt und egal wie weit wir fahren, all das ist nur eine nette Umschreibung für das, was uns wirklich erwartet: der Luxemburg-Marathon. 42,195 Kilometer durch die Straßen und Gassen. Für mich die Königsdisziplin. Ein Mal im Leben will ich einen Marathon laufen, und dieses Wochenende soll es so weit sein. Stephan wird zeitgleich beim Halbmarathon starten. Die Streckenverläufe des Marathons und des Halbmarathons sind auf den ersten 15,5 Kilometern gleich, also können wir dieses Stück gemeinsam laufen. Dann läuft Stephan zurück ins Ziel und ich die restlichen Kilometer, bevor – wenn alles klappt – wir gemeinsam (Stephan darf mich als Go-Buddy die letzten 2 Kilometer begleiten) durchs Ziel laufen. Kommen wir also auf 17,5 der 42,195 Kilometer, die wir zusammen laufen können. Über den Rest, immerhin fast 25 Kilometer, mache ich mir keine großen Gedanken. Auch, um mich nicht „unnötig“ nervös zu machen.

Zur Erinnerung: Am 13. Februar haben wir uns für den Lauf angemeldet, am 23. Februar habe ich mir beim zweiten Lauf der Winterlaufserie 2019 das Außenband im rechten Sprunggelenk gerissen, mal wieder… Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, aber was will man machen. Die Vorbereitung war dementsprechend ziemlich kurz und bestand einerseits aus viel Fußballtraining und einigen Sessions im Fitnessstudio. Außerdem sind wir drei Wochen vor dem großen Tag 18 Kilometer bei „Mud Masters“ gelaufen, eine Woche später stand dann noch ein Longrun von 30 Kilometern auf dem Programm. Realistisch gesehen ist das Ziel für den Wettkampf dementsprechend „nur“, anzukommen.

Das Wetter ist sonnig, die Stimmung gut. Der Plan ist, kurz beim Campingplatz einzuchecken, um dann mit dem Bus zum Startbereich zu fahren und unsere Startunterlagen abzuholen. So können wir auch gleich die Busverbindung zum Start ausprobieren. Es klappt einwandfrei, der Bus ist pünktlich und fährt direkt bis zum Start-Ziel-Bereich. Nachdem wir etwas orientierungslos durch die Hallen im Start-Ziel-Bereich umherschwirren finden wir endlich die Ausgabe der Startbeutel und -unterlagen.

Unsere Startbeutel und -unterlagen (Foto: © Christoph Heider)

Danach beschließen wir einen Gutschein einzulösen, mit dem wir ein Pastagericht und ein alkoholfreies Bier bekommen. Mit dem Ausblick auf die Ziellinie genießen wir das Essen, beide in Gedanken für das morgige Rennen.

Pasta-Party (Foto: © Christoph Heider)

Das Runde muss ins Eckige. So einfach ist das.

Stephan mit Blick auf das Ziel
Da wollen wir hin! (Foto: © Christoph Heider)

Mit diesen Worten verlassen wir den Start- und Ziel-Bereich und fahren mit dem Bus in die Innenstadt, um noch ein wenig die Schönheit der Stadt Luxemburg zu genießen. All das sehen wir morgen zwar auch, aber ich denke, dass wir die Schönheit dann nicht so genießen können.

Nach einem entspannten Stadtrundgang und einem leckeren „Feierabendbier“, bzw. Cola geht es mit dem Bus zurück zum Campingplatz. Auch wenn es noch fast 24 Stunden bis zum Start sind, die Aufregung steigt.

Nach einer erholsamen Nacht im Wohnmobil gehen wir den Samstag entspannt an. Zumindest haben wir keinen Stress. Entspannt bin ich den ganzen Tag nicht. Wir frühstücken (zusammen mit den Mücken), machen danach einen kleinen Spaziergang, entspannen in der Sonne, kochen eine letzte Mahlzeit, essen, und entspannen nochmal. Die Ruhe vor dem Sturm könnte man sagen. Gegen Nachmittag starten wir dann mit den letzten Vorbereitungen, ziehen uns um, prüfen, ob wir alle Sachen haben und gehen dann zum Bus. Noch auf dem Campingplatz fällt mir auf, dass ich meine Laufuhr vergessen habe. Ein Glück, zumindest merke ich es noch hier. Nun müssen wir uns etwas sputen um den Bus zu erreichen, was wir aber trotzdem schaffen.

Während der Busfahrt kommen wir an einigen Schildern vorbei, die darauf deuten, dass hier heute ein Marathon stattfindet. Meine Anspannung steigt ins Unermässliche. Als wir den Start-Ziel-Bereich erreichen fällt meine Anspannung jedoch irgendwie völlig ab. Frei nach dem Gedanken „Jetzt kann ich eh nichts mehr dran ändern“ sauge ich die Stimmung der Menschenmasse auf. Komischerweise macht sich eine Stunde vor Beginn des Rennens eine Art Vorfreude breit. Ich muss verrückt sein. Und auf Klo. Insgesamt drei Mal.

Noch 50 Minuten bis zum Start, Team Heider ist bereit! (Foto: © Christoph Heider)

Unsere Beutel mit ein paar Duschsachen und Kleidung für nach dem Lauf haben wir bereits abgegeben, jetzt heißt es nur noch warten bis es los geht. Um 18:45 Uhr machen wir uns auf den Weg in den Startblock. Die letzten Minuten dehnen wir uns, hüpfen auf der Stelle, machen uns warm. Von überall dröhnt Musik. Es ist eine angespannte Stimmung in der warmen Sommerluft. Und dann ist es so weit. Es ist 19 Uhr, man hört einen lauten Knall, sieht ganz viel Konfetti und kurz danach auch schon die ersten Läufer, die von uns weg laufen. Der Luxemburg-Marathon 2019 hat begonnen!

Es dauert noch ungefähr zehn Minuten bis das Feld nach vorne gerückt und vor uns gestartet ist, doch um 19:12 Uhr ist auch das Team Heider unterwegs.

Die Stimmung ist von der ersten Sekunde an fantastisch. Überall stehen Menschen an der Strecke, egal ob Jung oder Alt. Jeder feuert jeden an. Kinder haben Schilder gebastelt. Ganz besonders bleibt mir ein Schild in Form eines Sterns in Erinnerung, auf dem „Power Up“ steht. An der Strecke hört man wie auch schon im Startbereich von überall Musik. Ich komme mir vor als wäre ich auf einer Party. Es wird getrommelt, getanzt, gejubelt. Das ist absoluter Wahnsinn, wirklich verrückt.

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Das „after movie“ der Veranstalter zeigt sehr schön den Spirit des Laufes (Quelle:YouTube)

Alle ein bis zwei Kilometer ist eine Versorgungsstation. Ich muss fast schon aufpassen, dass ich trotz der Hitze nicht zu viel trinke. Die vielen Organisatoren und Menschen an der Strecke und im Hintergrund haben sich sehr viel Mühe gegeben. Da kann man gar nicht oft genug „Danke“ sagen.

Doch man darf nicht vergessen, dass zu einem Marathon auch laufen gehört. So gut die Stimmung auch ist, es ist gerade bei der Hitze unfassbar anstrengend. Stephan läuft in meinem Tempo mit, das freut mich sehr. Wir haben uns vorgenommen in einem Schnitt von 7:00 Minuten pro Kilometer zu laufen. Das klappt auch ganz gut. Ich habe ein gutes Gefühl und bei jedem Kind was mir den Arm zum abklatschen hinhält bilde ich mir ein, dass ich dadurch ein weiteres „Power Up“ einsammle.

Power Up!

Christoph

Nach den ersten zehn Kilometern wird es auch langsam kühler, die Sonne ist nicht mehr ganz so hoch, dementsprechend laufen wir immer häufiger im Schatten. Auch bis zur Streckenteilung von Halbmarathon und Marathon und demzufolge auch Stephan und mir passiert nichts spannendes.

Links Halbmarathon, rechts Marathon (Video: © Stephan Heider)

Stephan biegt links ab.

Bis in zweieinhalb Stunden!

Stephan

Ich laufe rechts weiter.

Ja, oder vier!

Christoph

Noch weiß ich es nicht, aber ich sollte mit meiner flapsigen Antwort gar nicht so Unrecht haben. Denn nach ungefähr 18 Kilometern merke ich das erste Mal ein Ziehen in der Wade. Spitzenmäßig, ein Krampf. Keine Panik, ich habe keinen Zeitdruck, sondern will ja „nur“ ankommen. Ich bleibe stehen und nehme mir zwei Minuten, um mich zu dehnen. Und tatsächlich schaffe ich es, den Krampf zu lösen. Dann kann ich weiter laufen. Der Weg führt mich jetzt in etwas ruhigere Bereiche Luxemburgs. Auch hier stehen noch Menschen, die die Läufer anfeuern, doch es ist hier deutlich ruhiger. Die Hälfte der Strecke habe ich in etwas über 2:36 Stunden geschafft. Der Kopf schaltet sich langsam ein. Ob Stephan es schon ins Ziel geschafft hat?

Währenddessen beim Halbmarathon: Stephan läuft ins Ziel (Video: © Stephan Heider)

Ob ich es ins Ziel schaffe? Glücklicherweise bin ich darauf vorbereitet, denn ich habe vor dem Lauf ein Buch zum Thema „Laufen ist Kopfsache“ gelesen. Also habe ich mir einige Gedanken gemacht, um genau diese Phase zu überstehen. Da Luxemburg gerade für städtische Verhältnisse sehr bergig ist und ich ständig auf und ab laufen muss, denke ich immer wieder an diesen einen Satz.

Ich bin leicht wie eine Feder, aber stark wie ein Bizepseinhorn!

Christoph

Dabei atme ich kontrolliert und merke die Kraft, die dieser Gedanke jedes Mal, wenn auch natürlich von Mal zu Mal weniger, freisetzt. Auch denke ich ganz fest daran, wie mir die Cola schmecken wird und was für Gefühle durch den Schluck Cola ich haben werde, sobald ich im Ziel ankommen werde. Der komischste Gedanke ist aber auf jeden Fall, dass mein Lauf Teil eines bombastischen Actionfilms ist, die Kamera hält auf mich, überall Feuer und Feuerwerk, lauter Knall, etc. inklusive. Naja, man muss halt erfinderisch sein.

Doch all das hilft nichts, wenn sich wiederum die Wade meldet. Dieses Mal ist es schlimmer, und was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ist, dass es bis zum Ende nicht mehr aufhören wird. Das Rennen gerät aus den Fugen. Ich habe ab Kilometer 24 durchgehend Krämpfe in den Waden. Und so sehr mein Ziel „nur“ ankommen ist, merke ich, dass mir ganz langsam die Zeit davon läuft. Das offizielle Zeitlimit beträgt sechs Stunden. Mein ursprüngliches Tempo von 7 Minuten pro Kilometer sollte mich nach knapp fünf Stunden ins Ziel bringen, also habe ich ungefähr eine Stunde Puffer. Ich beginne zu rechnen. Merke, wie mich nach und nach die Zielzeitläufer für 5:15 Stunden und 5:30 Stunden überholen.

Nach dem gefühlt 34. An- und Abstieg geht es bis zum Kilometer 30 in ein Tal. Dort soll sich das „Light Village“ befinden, eine Strecke von einem Kilometer, die von hunderten Ballons beleuchtet sein soll. Doch ich bin mittlerweile so spät, dass nur noch wenige Ballons übrig sind. Und jetzt kommt der schlimmste Teil des Marathons. Der auf 10 Kilometer verteilte Anstieg von knapp 300 Höhenmetern. Hätte ich mich nicht vorher genauer über das Höhenprofil der Strecke informieren können..?

Naja, nützt ja alles nichts. Mittlerweile habe ich meine Berechnungen abgeschlossen. Wenn ich bis zum Ende des Rennens eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 9:30 Minuten pro Kilometer schaffe, sollte ich rechtzeitig im Ziel sein. Das klingt jetzt ganz schön langsam. Ist es auch. Aber mehr ist mit den Krämpfen auf der Distanz mit dem Anstieg echt nicht mehr drin. Wenn es nicht der erste Marathon gewesen wäre, ich wäre vermutlich vernünftig gewesen und hätte aufgehört. Aber ich will es schaffen. Außerdem habe ich kein Handy dabei um Stephan anzurufen, der ja zwei Kilometer vor dem Ziel auf mich wartet um mit mir gemeinsam über die Ziellinie zu laufen. Und hey, außerdem war ich jetzt gerade schon mal so weit gekommen, also los.

Da selbst ein regelmäßiges Laufen mit dem geforderten Tempo nicht mehr möglich ist passe ich erneut meinen Laufstil an. Statt ein gleichmäßiges Tempo zu halten, laufe ich 250 bis 400 Meter in einem Tempo von 6:15 Minuten pro Kilometer, um dann wieder 200 Meter zu gehen. Und siehe da, obwohl es auf dem Papier viel anstrengender aussieht, ständig zwischen schnell zu laufen und gehen hin und her zu wechseln, ist dies eine Methode, die funktioniert. Anstrengend ist es natürlich. Aber so habe ich die Krämpfe, die mittlerweile auch in den Oberschenkeln vorhanden sind, im Griff. Und in den letzten acht Kilometern ist die Unterstützung der Menschen an der Strecke nochmal besser als zu Beginn des Rennens. Nein, jetzt kann mich nichts mehr aufhalten.

Nach einer Ewigkeit erreiche ich bei Kilometer 39 endlich Stephan. Ich bin total froh ihn zu sehen. Es ist mittlerweile ungefähr 0:45 Uhr in der Nacht. Laut meinen Berechnungen müsste ich für die letzten 2 Kilometer noch einen Puffer von 1:30 Minute haben. Punktlandung also… Ich berichte Stephan von meinem zweiten Teil des Rennens. Er erzählt mir auch von seinem restlichen Rennen und seinem Zieleinlauf. Oh man, nicht mehr weit und auch ich laufe in die Halle ein, in der sich die Ziellinie befindet. Mich überkommt ein Glücksgefühl, welches meine schmerzenden Beine übertrumpft.

Der Zieleinlauf (Foto: © marathon-photos.com)

Und so schaffe ich noch einen letzten Endspurt, rein in die Halle, vorbei an den Cheerleadern. Um 01:10 Uhr laufe ich durch das große Tor mit der Aufschrift „Finish Marathon“. Die Cheerleader jubeln als wäre ich der Sieger. Naja, ich bin natürlich nicht der Sieger des Marathons. Aber ich weiß, dass ich der Sieger gegen meinen eigenen Schweinehund bin. Und auch mit einer Zeit von 05:58:25 Stunden kann ich behaupten, dass ich einen Marathon gefinished habe.

Fix und fertig! (Foto: © Stephan Heider)

Es dauert ein wenig bis ich realisiere was passiert ist. Ich arbeite mich langsam zu den Duschen vor. Mir tut alles weh. Wirklich, ich wusste nicht, dass die Stellen, an denen mir etwas weh tut, überhaupt existieren.

Nach einer schönen Dusche und einem „kurzen Stück“ (Ironie wieder aus) quer durch den Start-Ziel-Bereich steigen wir müde, aber glücklich, in ein Taxi, welches uns zum Campingplatz fährt. Ich krieche ins Wohnmobil. So wirklich müde bin ich noch nicht, sondern eher aufgedreht. Also unterhalten Stephan und ich uns noch etwas, bevor wir dann gegen 03:00 Uhr ins Bett gehen. Ich schlafe sofort ein.

Zum Abschluss der Geschichte hier noch ein Foto der Medaille und ein Teamfoto mit unseren Medaillen nach unserer Rückkehr nach Duisburg am Sonntag.

Team Heider over and out.

Stephan

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