Einer von Zehn: Das ist das Resümee. Dafür stehst du immer wieder auf. Der perfekte Lauf. Die Couch zieht dich unerbittlich in ihr inneres, doch du weißt, dass sich die nächste nutzlose Stunde in etwas grosses für dich verwandeln kann. Du schnürst deine Schuhe und trittst vor die Tür. Es ist kalt, du ziehst dir deine Ärmel über die Hände und trabst los. Auf km 1 spannt sich Deine Lunge und du suchst einen Rhythmus. Auf km 2 zwicken deine Problemzonen, doch langsam findest du zu dir. Die Zufallswiedergabe deiner Playlist haucht dir Rocketman durch die Gehörgänge. Du drückst auf + und erhöhst die Lautstärke und die Ausschüttung deiner Neurotransmitter. Plötzlich geht es ganz schnell. Du erreichst diesen Zustand, den du beim Laufen suchst. Die Sonne spielt mit den Lücken in den paar Wolken an dem sonst so blauen Himmel. In Zeitlupe fällt buntes Laub vor deine, dich anschiebenden Füße. Du spürst deinen Körper nicht, dessen warme Muskeln dich spielend vorantreiben. Dein Gesichtsfeld verengt sich wie die Blende deiner Spiegelreflex. Dein Kopf fliegt zentriert voran ohne große Erschütterungen zu erfahren. Deine Augen sind mit Deinen Ohren und dem Ding dazwischen allein und fokussieren einen unscharfen Punkt in der Ferne. Die drei sind im Einklang und völlig entspannt. Du datest dich selbst und deine Gedanken fangen an zu fliegen. Sie denken sich Dinge wie das hier aus. Am Wegesrand nimmst du einige wanstige Spaziergänger wahr und schaust in ihre horizontal wackelnden Köpfe. „Würd ich nicht machen, der spinnt doch. Sport ist Mord.“ Du fühlst Dich super und lobpreist die individuelle Freiheit in Deutschland. Die Tasse Kaffee von vorhin kneift dir bei km 8 in dein Zwerchfell. Beyoncé singt sie einfach platt. Ab km 9 gibst du nochmal Gas. Deine Sichtperspektive verändert sich. Das Bild, was du siehst verlässt deinen Körper. Es fliegt vorwärts von dir weg und hebt ab, um nach einigen 100 m kehrt zu machen und wieder auf dich zu zu kommen. Du siehst dich selbst, wie du dir entgegen läufst. 30 m hinter dir eine 150 Köpfe große Gefolgschaft, die dir blind von Ost zu Westküste folgt. Du trägst ein Smiley – Shirt und dein Bart ist 40 cm lang. Zeit, stehen zu bleiben. 10 km und die beste Zeit des Tages ist um. Leider gibt es so einen perfekten Lauf nur einmal von Zehn. Du drehst dich lächelnd zu den Wanstigen um, die du längst hinter dir gelassen hast und denkst ihnen zu: Ich bin Rocketman!
