Von Fiona, Corona und dem persönlichen Überholverbot

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In Zeiten von Corona kommst Du natürlich auch hin und wieder in den Genuss, je nachdem wie Deine Arbeitszeiten sind, ob Du systemrelevant bist, ob Du Home-Office machst oder 12 Stunden-Schichten knüppelst, zwischendurch Freizeiten oder Bereitschaftszeiten zu Hause zu verbringen.

Im Zeitalter der Streaming-Dienste bietet sich da ausgiebiges Surfen, Stöbern und Entdecken gerade zu an. So landete ich bei meinen Expeditionen durchs Internet bei einer Doku, die von einer Sportlerin handelt, die mich unglaublich beeindruckt.

„Runnin for Good“ erzählt von Fiona Oakes, einer englischen Extremläuferin, die mehrere Marathon- und Ultramarathon- Rekorde auf allen Kontinenten der Erde hält, ohne sich wirklich für eine erstklassige Läuferin oder gar eine wichtige Person zu halten. Ob Nordpol, Antarktis, auf Vulkanen in 4500 Höhenmetern oder in der Sahara, Fiona hat die furchterregendsten  Rennen gelaufen. Nicht um des Sportes willen, sondern einzig und allein um Geld für Ihr privat geführtes Tierheim einzulaufen. Und was sie dort leistet, ist wirklich mehr als beeindruckend. Die überzeugte Veganerin versorgt dort 400 Tiere mit teils schlimmen Schicksalen. Sie beginnt mit der harten körperlichen Arbeit in aller Herrgottsfrühe, um nachmittags Ihre Trainingsläufe zu absolvieren. Dabei reden wir aber nicht von gemütlichen Entspannungsläufen als Kontrastprogramm zu Ihrer sonstigen Tätigkeit, sondern von 160 Trainingskilometern pro Woche.

Sie trainiert für die anstrengensten und gefährlichsten Extremläufe der Welt. Sie tut das einzig und allein für Ihre Tiere. Sie mag das Laufen nicht wirklich. Sie macht es, weil es günstig ist und weil Sie alleine mit Ihrem Körper und Ihrem Willen Erfolge erlaufen, Spenden, Preisgelder und Sponsoren generieren und Aufmerksamkeit für Ihr wahres Thema erwecken kann. Dem Tierschutz, der Nachhaltigkeit und der veganen Bewegung. Sie sieht das Laufen als den notwendigen Job an, der Ihr das ermöglicht.

Und das ganze macht Sie, was einem Wunder gleicht und wohl ziemlich einmalig auf der Welt sein dürfte, mit nur einer Kniescheibe! Sie verlor die zweite als junges Mädchen nach einem Martyrium an Operationen, die am Ende den Erfolg verfehlten, Ihre Kniescheibe zu retten. Mit unfassbarem Willen und Disziplin kämpfte Sie sich zurück, um eine wahre Heldin des Lebens zu werden. In Ihrer schlimmsten Zeit, lernte Sie, was Leid und Schmerz bedeutet und prägte eine unverrückbare persönliche Empathie für andere Lebewesen aus.

Die Doku „Runnin for Good“ setzt ein, als Fiona sich entschließt an einem der gefährlichsten Rennen der Welt teilzunehmen:

-Ob es wirklich für Fiona eine gute Idee war beim Marathon des Sables anzutreten, musste sich noch zeigen. Und obwohl ein 250 km-Lauf durch die Sahara nur für die Härtesten in Frage kommt, und dazu gehört Sie zweifellos, machte es ihr Angst, dass der Rücktransport ihrer Leiche im Vorfeld versichert werden musste. Das ist alljährlich, neben der Abtretung jeglicher Entschädigungsanrechte, eine der Startbedingungen der Veranstalter.

250 km in sechs Etappen bei 50° C Tagestemperatur, dazu sein persönliches Gepäck mit Kocher, Essen, Klamotten während des Laufes mitzuschleppen und das alles über Felsen und Dünen zu wuchten. Manch einer könnte auf die Idee kommen, das wäre dumm. Große Hitze, Sand und ein Moment der Unachtsamkeit, kann dazu führen, dass Du Dir zumindest Deine Füße ruinierst. Und im schlimmsten Fall, kannst Du auch sterben. Das zeigt die Geschichte dieses mörderischen Rennens.

Zwei Wochen vor Start erkrankt Fiona an einer schweren Atemwegsinfektion. Doch genauso wie Ihre fehlende Kniescheibe, kann auch diese Infektion Sie nicht davon abhalten in Marokko anzutreten. Ungeachtet Ihrer selbst! Für Ihre Tiere!

Einer dieser extremen Ultra-Marathons dürfte sich von einem Volksmarathon in der persönlichen Wahrnehmung in etwa so unterscheiden, als das Du entweder ein lauschiges Mittagsschläfchen mit „Imagine“ im Hintergrundradio machst oder aber ein irrer Zahnarzt Dich in seinem Folterkeller malträtiert und dabei ohrenbetäubend laut „Purple Haze“ in Endlosschleife spielt.

So erleben wir Fionas Leiden hautnah mit. Fieber; Übelkeit; sich ablösende Fußnägel; höllische Schmerzen in Ihrem lädierten Knie.

Sie hadert. Will sich setzen und nur noch weinen. Dann peitscht Sie sich an: „Ich habe die Wahl. Tiere haben keine Wahl vom Transporter zu steigen. Auch Sie erleiden 50°C und haben kein Wasser. Ich habe etwas Wasser. Sie läuft einfach weiter. Läuft die Etappe zu Ende und träufelt sich abends in völliger Verwirrung Tabasco anstatt Medizin auf das Fleisch unter Ihren ausgefallenen Fußnägeln.

Dabei stehen Ihr die schwersten 2 Etappen noch bevor. 86 km in einer Etappe durch Dünen und Salzseen stehen an, als Sie bemerkt, dass sich die Sohlen von Ihren Laufschuhen auflösen. Und was Sand in Kombination mit schwitzenden Füssen in Deinen Schuhen auf 86 km Laufstrecke anrichtet, wäre allein ein Plot für einen blutigen Thriller a la „127 hours“.

Ob und wie Sie die 86 km und danach noch die End-Etappe, ebenfalls in der Länge eines Marathons zu Ende bringen kann, bevor entweder Ihr Körper oder Ihre Schuhe versagen, schaut Euch bitte selbst an.

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Der Trailer von „Running for Good“

Quelle: Youtube

Mein Respekt, nein, meine höchste Achtung und Ehrfurcht gilt ab sofort Fiona Oakes, die bereits vor Corona erkannt und gezeigt hat, was wichtig ist und was es bedeutet, sich für Schwächere einzusetzen. Ihr Lebensinhalt ist das genaue Gegenteil von dem, was wir Konsumextremisten uns in den letzten Jahren atem- und rücksichtslos nahmen und einverleibten.

Ich bewundere Fiona zutiefst für Ihre Haltung.

Vielleicht bringt uns Corona wirklich für eine gewisse Zeit zurück in ein Bewusstsein des Maßhaltens und Rücksichtnehmens.

Auch wenn ich es nicht wirklich glaube, dass es von Dauer sein wird, finde ich es doch immer wieder tröstlich, die wahren Helden des Alltags zu entdecken. Momentan entdecken wir sie ja in uns selbst. Weil wir sie brauchen in schweren Zeiten. Sie sind also da, tief in uns verborgen. Und wenn ich demnächst wieder laufen gehe, natürlich aus ganz anderen Motiven als Fiona, höre ich Bowies „Heroes“ und denke an Sie und Ihre beeindruckende Geschichte vom Marathon des Sables.

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